Fortsetzung

Suiseki – eine alte asiatische Kunstform

Verehrung von Steinen Die Verehrung von besonders geformten oder schönen Steinen hat im Fernen Osten eine lange Tradition. In China wurde vor einigen tausend Jahren das Denken und die Vorstellungskraft der Menschen weitgehend durch das bäuerliche Leben bestimmt. Frühe Völker waren weit mehr in die sie umgebende Natur eingebunden als die heutige Menschheit. Eindrucksvolle Naturphänomene wie Blitz, Donner, Sturm, Regen... waren für sie göttliche Offenbarungen. Dies führte dazu, dass man die in den Naturgewalten vermuteten Götter zu besänftigen suchte. Die ganze Natur war heilig, sie war göttlich. Auch heute kennen wir die fünf heiligen Berge Chinas, die jährlich von vielen Tausenden von Besuchern erwandert werden. Die frühen Religionen waren geprägt von Anbetung und Verehrung der Naturkräfte. Danach war es die durch den Taoismus, Shintoismus und Buddhismus beeinflusste Ehrfurcht vor der Natur, die dazu führte, besondere Objekte der Natur zu verehren. Es entwickelte sich geradezu der Glaube an unzählige Gottheiten und Geister, die ihren Sitz in großen alten Bäumen, auf Bergen, in Flüssen, Inseln, Vulkanen und Steinen mit außergewöhnlichen Formen hatten. Bei einigen Naturvölkern und sogar bei Teilen der asiatischen Bevölkerung ist es auch heute noch üblich, bestimmten Steinen Opfer darzubieten oder durch Anfassen der Steine die in Jahrtausenden im Stein gespeicherte Energie auf den Menschen einwirken zu lassen. Beim Anfassen mancher Steine haben Menschen den Eindruck, als würde von ihnen eine beruhigende Wirkung ausgehen. Dieses Phänomen wird sogar heute noch therapeutisch genutzt. Den Sinn für das Natürliche in der Kunst als Verkörperung des freien Geistes versuchten die Intellektuellen des Fernen Ostens in der Gestaltung ihrer Gärten oder dem Sammeln schöner Steine Ausdruck zu verleihen. Ihre Ehrfurcht gilt vor allem der freien, ungebändigten Natur. Wenn dann die Natur in Form eines schönen, durch die Natur geformten Steins in der häuslichen Präsentation „gezähmt“ wurde, so sollte doch das Gefühl der Freiheit so weit wie möglich bewahrt bleiben. Steine hatten für den Menschen schon immer eine besondere Bedeutung. Sie dienten ihm als Werkzeug, als Talisman, als Schmuck oder als Kunstobjekt. Bei Suiseki steht die Kunst im Vordergrund. Das bedeutet, dass wir im Bereich der SUISEKI- Kunst lernen müssen, nicht nur zu sehen,sondern vor allem zu erkennen. Erkennen ist die geistige Auseinandersetzung mit dem, was wir gesehen haben, oder anders ausgedrückt, „die phantasievolle Behandlung mit dem Gesehenen“. Der phantasievolle Mensch bekommt beim Anblick eines Suiseki ein Gefühl, dass er von dem Stein nicht alles bekommen hat, was er zu geben vermag. Doch gerade damit ist der Weg für immer neue Entdeckungen gegeben. Wenn wir uns in innerer Stille befinden und gedanklich eins werden können mit der Natur, dann werden wir natürliche lebendige „Bilder“ schaffen können, ohne uns in einer ausgefeilten Technik zu verlieren. Die praktische Verwirklichung der SUISEKI-Kunst ist eine Quelle der Harmonie und Zufriedenheit - „Das Geheimnis des lächelnden Ostens“. Die Natur als Künstler Neben der Naturverehrung oder der Verehrung von Steinen entwickelten die Menschen schon sehr früh einen gewissen Schönheitssinn. Schon vor über 2000 Jahren sammelte man schöne Steine, die von der gebildeten hohen Beamtenschicht Chinas als Kunstobjekte angesehen und entsprechend präsentiert wurden. Diese Kunstbetrachtung wurde bis in das vorige Jahrhundert weiterentwickelt. Viele außergewöhnlich geformte Steine wurden auf kunstvoll gestalteten Holz-, Stein- oder Bronzesockeln platziert und an besonders dafür ausgesuchten Plätzen in den chinesischen und koreanischen Gärten präsentiert. Solche Steine entstanden und entstehen heute noch durch die verschiedenartigsten Erosionsvorgänge und nehmen je nach Gesteinsart die verschiedensten Formen an. Bei vielen Menschen sind gebirgsähnliche Formen und solche, die Menschen oder Tieren ähnlich sind, sehr beliebt. In der Malerei unterscheidet man die Kunstwerke nach Kunstrichtungen, zum Beispiel Landschaftsmalerei, Porträtmalerei..., und Kunstepochen, zum Beispiel Barock, Renaissance... In ähnlicher Weise hat man für die Suiseki-Kunst eine Klassifikation geschaffen, in der die Suiseki nach Landschaftssteinen, Objektsteinen, abstrakte Steinen, Steinen mit außergewöhnlichen Oberflächen und Farbsteinen eingeteilt werden. Die Steine wurden durch die Platzierung auf Holzsockeln, in Suiban oder Doban aus ihrer profanen Umgebung herausgehoben und zu teuren und seltenen Kunstobjekten. In manchen asiatischen Ländern werden auch heute noch Suiseki als schöne Gastgeschenke bei Staatsempfängen an die Gäste oder die Gastgeber übergeben. Ein Beispiel aus der Geschichte: Einer der ersten Suiseki in Japan kam im 6. Jahrhundert vom chinesischen Kaiser als Gastgeschenk an den japanischen Kaiserhof in das „Land der aufgehenden Sonne“. Bei besonderen gesellschaftlichen Ereignissen zeigte man die Steine neben anderen Kunstobjekten wie zum Beispiel Bonsai, Ikenobo, Ikebana, Bronzeplastiken, Keramiken, Malerei, Vasen, Schnitzereien, Tusche-Reibesteinen,.. Man verfasste Gedichte und brachte eben diese Gedichte als Kalligraphie zu Papier. Außerdem stellte man Vergleiche zwischen der traditionellen Landschaftsmalerei und den präsentierten Suiseki her. Dieses Wechselspiel zwischen den Künsten wurde über Jahrhunderte hinweg gepflegt und führte zu einer gegenseitigen Befruchtung und Weiterentwicklung bis in die heutige Zeit. Leider werden solche Zusammenkünfte von Kunstliebhabern nicht mehr in diesem Maße gepflegt, wie dies früher der Fall war. Doch findet man hin und wieder Leute, die in ihrem häuslichen Bereich oder in Privatmuseen Suiseki zusammen mit anderen Kunstobjekten oder Pflanzen ausstellen oder präsentieren. Für uns westlich geprägte Menschen, aber auch für viele Asiaten ist es schwierig, solche Präsentationen sachlich richtig zu interpretieren, denn hierzu ist ein enormes Hintergrundwissen erforderlich. Man muss hierzu schon tief in die fernöstliche Mythologie und Geisteswelt eindringen, damit man die vielen Aspekte des Gesehenen zu einer ästhetischen Gesamtkonzeption vereinen kann. Wichtig für alle ist jedoch, dass eine Präsentation durch ihre ästhetische Ausstrahlung Freude und Schönheit vermittelt. Welche Aufgabe hat ein Daiza? 1. Er soll für den Stein eine sichere Standbasis sein (Abb. 25 „Kotau“). 2. Er soll den Stein in eine statische Lage bringen, damit die schönste und charakteristische Seite des Steins zum Betrachter hin ausgerichtet werden kann. 3. Er soll evtl. die vom Stein ausgehende Suggestivwirkung fördern und die thematische Komponente des Steins unterstützen In keinem Fall soll der Daiza den Betrachter vom Stein ablenken. Es gibt aber auch kunstvoll gestaltete Daiza, die den Präsentationswert eines Suiseki enorm steigern. Die Schwierigkeit liegt darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zurückhaltung und Unterstützung für den Stein zu finden (Abb. 26 „Grazile Schönheit“). Hat ein Stein von Natur aus eine ebene Standbasis, ergeben sich meistens keine größeren Probleme bei der Auswahl eines Daiza oder eines Suiban. Hat dagegen ein Stein eine unebene Standbasis, dann bestehen zwei Möglichkeiten, diesen Nachteil auszugleichen. Die Unebenheit ist meist mit dem Nachteil verbunden, dass ein höherer Daiza bzw. ein tieferer Suiban erforderlich wird, da der Stein tiefer in das Holz oder den Sand eingelassen werden muss, um ihm Standfestigkeit zu geben. Die zwei Möglichkeiten sind: 1. Man fertigt einen hohen Daiza mit schmalem oberen Rand oder man schnitzt einen Daiza mit durchbrochenen Elementen, um ihn leichter und eleganter aussehen zu lassen. 2. Man verwendet einen Suiban, der mit Granulat gefüllt wird, um die Unebenheiten des Steins auszugleichen. Dies könnte man aber auch erreichen, wenn man ein mit Sand gefülltes Seidenbrokatkissen als Unterlage verwenden würde.
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